Das Menschenbild  aus Görlitz,

das die Neuzeit einläutete
 und England und
Holland dynamisierte

               Inhalt:   I. Was den Böhme-Leser begeistert, II. Vertiefung,
              III. JB – der Seelenführer

(Die Bilder auf dieser Seite stammen vorwiegend aus Böhme-Texten des 17. und 18. Jahrhunderts).

  

 

Teil I:  Was den Böhme-Leser begeistert 

 

Inhalt Teil I: 1. Das Böse in der Welt   2. Ein Leben ohne Furcht!  3. Du bist ein freier Mensch!   4. Dein Lebensweg – er wird von DIR bestimmt!  5. Gott wohnt in dir   6. Verantwortung für die Schöpfung  7. Göttliche Fürsorge und Orientierung!  8. Das Wissen liegt in uns!  9. Unsere göttlichen Kraftquellen  10. Frei durch Wiedergeburt 11. Zusammenfassung

 

 

Jacob Böhme ist ein „Mut-Macher-Schriftsteller“. Mit seiner Hilfe entdeckt mancher seiner Leser, was er (der Leser) für ein toller Typ ist. Böhme breitet vor ihm ein Menschenbild aus, das für den Leser voller positiver Überraschungen ist, das ihm Selbstvertrauen gibt, ihm in der Welt eine wunderbare Rolle zuordnet – und den Menschen ganz dicht neben Gott stellt.
Wie sollte das den Leser nicht faszinieren, ihn nicht für sich und für Böhme begeistern?
Böhme zeigt dem Leser u.a. folgende Bilder:

 

1. Das Böse in der Welt
Lass dich vom BÖSEN nicht erschrecken oder ängstigen!
Bei Böhme hat der Mensch – wie die ganze Schöpfung – GUT und BÖSE in sich. Doch trotz des vielen BÖSEN in uns können wir gut mit uns und der Welt zurechtkommen, können angstfrei leben, denn bei Böhme steht dieses Böse meist friedlich neben dem Guten. Böhme verbindet solche Gegensätze mit einem (dialektischen) UND, und schon hat er sie zu einer Einheit, zu einem verträglichen Teil der Schöpfung zusammengefügt. Außerdem sagt uns Böhme: Ihr braucht das Böse, denn es hilft Euch, das GUTE zu erkennen – und 
es hilft Euch, für die Herrlichkeiten dieser Welt dankbar zu sein.

2. Ein Leben ohne Furcht!  Als Mensch musst du niemanden fürchten, nicht einmal Gott, denn Gott ist ein Teil von dir – und gab dir einen freien, nur dir verantwortlichen Willen.

 

3. Du bist ein freier Mensch, dank deines freien Willens. 
Doch - um FREIHEITSFÄHIG zu sein – solltest du lernen, der leisen Stimme in dir, also dem Gott in dir, zuzuhören, um dich so selber zu erkennen. Richtig frei bist du erst, wenn du dein inneres ICH mit deinem sichtbaren weltlichen Ich vereint hast.

   Als FREIER wirst du dann in der Natur, in der Welt das Schöne erkennen – und die Freiheit zur LIEBE entdecken.

4. Dein Lebensweg – er wird von DIR bestimmt!
Der freie Wille macht den Menschen für sich– und auch für seinen Lebensweg selbst verantwortlich. Er bestimmt, ob sein Lebensweg ihn in Richtung PARADIES führt, oder in Richtung Hölle. 

Der Mensch sollte sich also vor sich selbst fürchten, vor seinem eigenen Ego, seiner materiellen Gier, seinem Machtstreben.
Damit er seinen Weg nicht verliert, empfiehlt Böhme ihm dringend:
„Es kann ihm kein Mensch … im ganzen Lauff seiner Zeit in dieser Welt nichts fürnehmen, das ihme nützlicher und nöthiger sey als dieses, das er sich selbst recht lerne erkennen, (1) was er sey? (2) woraus oder von weme? (3) wozu er geschaffen worden? Und (4) was sein Amt sey?

 

5. Gott wohnt in dir – schon deshalb solltest du nie schlecht von dir reden. Außerdem:
Gott schaut dir mit Freude zu, wie du hier auf der Welt mit Lust wirksam bist – und die Herrlichkeit der Schöpfung genießt.

 

6. Verantwortung für die Schöpfung! 
Dem Menschen wurde von Gott Verantwortung für die Vollendung der begonnenen Schöpfung gegeben. Dazu gehört: Gott überall um dich herum zu erkennen (in den Mitmenschen, der Gesellschaft, der restlichen Natur). Der Mensch soll dieser Schöpfung dienen und sie zu einer herrlichen End-Form führen.

7. Göttliche Fürsorge und Orientierung!         
Nimmt der Mensch den Auftrag an, die Schöpfung zu vollenden, so steht ihm Gott mit unbegrenzter Liebe zur Seite (in Form des Christus, der im Menschen wohnt). Die nötige Orientierung für seine täglichen Vorhaben erhält der Mensch dann von einer Art innerem Lotsen (NAVI).
Diese Rolle des täglichen NAVI hat bei Böhme der Heilige Geist als Teil Gottes.

 

 

8. Das Wissen liegt in uns!                     Das Wissen und die Fähigkeiten für die Wahrnehmung seiner so großen Aufgabe (Vollendung der Schöpfung) – woher nimmt sie der normale Mensch?
Böhmes Antwort: „Du hast alles Wissen, alle Weisheiten der Welt in dir“. Schau in dich hinein. „So ich mich selber lese, so lese ich in Gottes Buch.“ Du brauchst also nicht zu studieren, um wissend zu werden. Findest du die gesuchte genaue Antwort nicht gleich in dir, dann geh mit deinen Fragen in die Natur, dort findest du alle Antworten zu Gott, zur Natur, zur Welt, zu dir selbst.

 

9. Unsere göttlichen Kraftquellen:        Nach Böhme zieht der Mensch Kraft aus dem Selbstvertrauen, das aus der „Gottesähnlichkeit“ kommt - und aus dem Besitz eines freien, unabhängigen Willens. Auch die kräftige Kreativität, über die wir verfügen, gibt Schwung. Außerdem:
laut Böhme haben wir obendrein Zugang zu den Urkräften des Lebens (Quellgeister), zu denen nach Böhme nicht nur Zorn und Grimm gehören, sondern auch die LIEBE, die Böhme als unsere größte Kraftquelle bezeichnet. Dies umso mehr, wenn sich die Liebe mit Schöpfungswillen, Begeisterung oder auch Neugier verbindet.
JB rechnet auch den Willen und das Wort zu unseren schöpferischen Kräften.

 

   10. Neu durch Wiedergeburt

Die Wiedergeburt ist bei JB ein zentrales Thema – und ist fast ein Synonym für die Erlösung.
Böhme stuft die Wiedergeburt als ein Geschenk Christi an uns ein, als ein Geschenk der Liebe und des Lichtes. Sie erlaubt uns, die Vergangenheit hinter uns zu lassen.
Wir können reif werden für eine Wiedergeburt durch Innenschau, durch Selbsterkenntnis etc. Sie wird möglich durch den Gott in uns, kann aber auch von Gott selbst direkt im Menschen bewirkt werden (Beispiel: der Saulus, der durch eine Wiedergeburt zum Paulus wurde).


Für JB ist Voraussetzung für die Wiedergeburt, dass ich erkenne, dass ich von dem gottgefälligen Weg abgewichen bin – und dass ich mich hiervon distanziere. Gelingt einem Menschen die Wiedergeburt, so hat er die Chance, unter dem Schutz der göttlichen Weisheit zu seinem ursprünglich göttlichen ICH zurückzukehren.
In Böhmes Lehre ist die Wiedergeburt eine Voraussetzung, um Gott zu erkennen.
Böhme:
„Also verstehen wir nun unsere Neue Wiedergeburt recht, wie wir können Tempel GOttes seyn und bleiben, …….“  
Bei Böhme ist die Wiedergeburt mit der Gestalt des Christus verbunden.
Anmerkung: Im Alten Testament und bei Böhme treffen wir oft den Gott des Zorns. Dem stellt Böhme dann den Gott der Liebe gegenüber,
                    der durch seine Wiedergeburt in sich selbst in Form des Jesus Christus zu uns kommt.

 

 

1 11. Zusammenfassung  (von Teil 1 "Menschenbild) 

Böhmes verantwortlich handelnder, freier Mensch
- weiß: ich bin für meinen Lebensweg selber zuständig.
- sieht sich als Akteur bei der Verwandlung dieser Welt – und seiner selbst (!).

-wird wirksam und authentisch, wenn es ihm gelingt, seine oft widersprüchliche Innenwelt mit seinem äußeren ICH auf einen Nenner zu bringen.
- fühlt sich als Teil der Natur und übernimmt für die Natur Verantwortung.
 
 
Dieser Mensch hat es trotz all dieser Stärken nicht unbedingt leicht mit sich:
Die Freiheit des Menschen sieht Böhme vor allem darin, dass er selber entscheidet, ob er sich dem Gott oder dem Teufel in sich zuwendet. Außerdem:
Der Mensch, wie der Rest der Schöpfung, hat gleichzeitig Gottes Liebe und Gottes Zorn in sich. Damit hat der Mensch den „Streit zwischen Licht- und Angstwelt“ in sich. Dieser Streit „währet solange, wie das irdische Leben währet“.

 

 

Böhmes Menschenbild - Teil II
           Vertiefung einzelner Themen, Zitate

 

1. Das Gute und das Böse in uns

1a „Ein jeder Mensch trägt in dieser Welt Himmel und Hölle in sich; welche Eigenschaft er erweckt, dieselbe brennt in ihm, dessen Feuer ist die Seele fähig.“

1b Der Mensch hat „zwei Suchten in der Seele, eine davon suchet immer das irdische Wesen, das Materielle, die Macht, … Die andere ist eine Gottes Sucht und suchet Himmelreich“.
Der Mensch hat dabei die freie Wahl bei der Entscheidung für eines dieser Reiche (des Bösen oder des Guten). „Der Mensch tue, was er will“

1c Der Streit zwischen Licht- und Angstwelt in uns, „währet im Menschen solange das irdische Leben währet“ (aus: Von der Menschwerdung Christi).

1d „Ich erkannte und sah in mir selber drei Welten, als
 die göttliche, englische oder paradiesische; und dann die finstere Welt als den Urstand der Natur zum Feuer; und diese äußere sichtbare Welt als ein Geschöpf und Ausgeburt, oder als ein ausgesprochen Wesen aus den beiden inneren geistlichen Welten.“ 
(Quelle: Paul Deussen)

1e „So sieh dich nur selber an, was du bist, so wirst du finden, dass du mit deinem äußeren Geist und Wesen die äußere Welt bist (die Synthese aus GUT und BÖSE). 

1f . Bestimmend für unsere Biographie wird nach Böhme, ob wir zwischen GUT  und BÖSE  hin und her pendeln
– ob wir es schafften, mit einer Synthese aus den beiden zu leben,
- oder ob wir dem Aufenthalt im Bereich des Bösen oder des Guten eindeutig den Vorzug geben.


  2. Wir finden alles nötige Wissen in uns!

Böhme teilt seinen gebildeten Lesern mit, das Wissen in seinen Texten stamme weder aus Büchern, noch käme es aus einer Lehreinrichtung. Er gibt Gott als wichtigste Quelle an, zu der er über sein Inneres – und auch über die Natur Zugang zu allem Wissen der Welt gefunden habe:

 2a Wenn ich gleich kein ander Buch hätte, als nur mein Buch, das ich selber bin, so hab ich Bücher genug. Liegt doch die ganze Bibel in mir.

 2b „So ich mich selber lese, so lese ich in Gottes Buch“.

 2c Nach Böhme hat der Mensch Zugang zu fast unbegrenztem Wissen. Es liegt in ihm, als Micro-Cosmos – und reflektiert den Macro-Cosmos.
„Schau - du bist eine kleine Welt in der großen.
 2d  Ich trage in meinem Wissen nicht erst Buchstaben zusammen aus vielen Büchern, sondern ich habe den Buchstaben in mir. Liegt doch Himmel und Erde mit allem Wesen, dazu Gott selber, im Menschen.“ 

 

 3 Der freie Wille kam zu uns, so Böhme, weil Gott zwar von uns geliebt werden wollte, aber nur aus unserer freien Entscheidung heraus.
 

 

 4. Die Ur-Kräfte der Schöpfung 
Nach Böhme sind es die Ur-Kräfte der Schöpfung, die uns immer wieder in Bewegung bringen, in Bewegung halten:
Diese Urkräfte in uns, sie reiben sich aneinander. Durch ihre Gegensätzlichkeit bringen sie den Menschen immer wieder in Schwung. Böhme gibt ihnen Namen wie ZORN, GRIMM, BITTERKEITANGST, LIEBE. Heute würde er diese Ur-Lebenskräfte vielleicht als Schöpfungswille, Enthusiasmus, Veränderungswille oder Verantwortungsgefühl bezeichnen. Es sind jedenfalls starke Kräfte, die wir oft in uns verspüren, die uns auf den Weg bringen – und unseren Charakter, unsere Biographie ausgestalten.

 

 

Teil III – Böhme der Seelenführer

In seinen Schriften präsentiert Böhme viele seiner Erkenntnisse als Empfehlungen an seine Leser. Seine Leser, wie auch seine häufigen Gesprächspartner, sahen ihn dann in der Rolle eines Seelenführers.  Anm:  heute würde es vielleicht heißen: Coach dich selbst – mit Böhme. Doch Coach ist sicherlich kein gutes Synonym für Seelenführer.

Beispiele für solche Empfehlungen:

1. Böhme war ein Realist, stand mit beiden Füßen in der Gegenwart, in der Handeln überlebenswichtig war. Seine Empfehlung
            Handele – das ist dein Schöpfungsauftrag.
Zitat: „
Was hilft mich die Wissenschaft, so ich nicht darinnen lebe? Das Wissen muß in mir seyn, und auch das Wollen und Thun.“ 

2. Böhme empfiehlt uns, den Zugang zu Gott zu finden durch eine Innenschau, bei der wir uns von unseren Wünschen und unserem EGO abkoppeln.
"If you could be silent from all willing and thinking for one hour, you would hear God's inexpressible words."
Doch Böhme warnt uns: In euch findet ihr eine Lichtwelt (voll Liebe) und eine meist dominierende Finsterwelt (voll Bösem). Aber ihr seid gerettet, wenn es Euch gelingt, diese beiden Welten mit Hilfe des Gottes in Euch zu einer harmonischen Synthese zu verbinden, die euch dann ein glückliches Leben ermöglicht. 

3. Böhme empfiehlt uns, die Selbstliebe zu leben, statt uns ständig selbst zu unterjochen und dadurch mit schlechtem Gewissen herumzulaufen und uns als Sünder zu fühlen. 

4. Böhme ermahnt uns immer wieder, unser innereS ich (Seele, Ewigkeit) mit unserem ÄUSSEREN ICH (zeit- und wirkungsabhängig) zu verbinden. In den Momenten, in denen uns dies gelingt, leben wir die Gelassenheit, sind wirkungsvoll, nutzen unsere Zeit optimal.

5. Böhme sieht, dass es uns immer wieder zu den „vier verführerischen Element[en] der finstern Welt hinzieht “ (Hoffart, Geiz, Neid, Zorn). Deshalb rät er uns zu bedenken, „dass Gott selber in ihm sein Vorsatz sei, dass er ihn wolle erretten und ihn in sein Reich einführen“. („Von sechs theosophischen Punkten“) 

6. Böhme empfiehlt die Innenschau, die Meditation, als Weg zu Selbsterkenntnis und guter Wirksamkeit.:
"Dem Menschen ist... auf Erden nichts ... nützlicher, als dass er sich lerne selber erkennen, was er sei, ... wohin er wolle. Was er werde, und wo er hinfahre, wenn er stürbe. Einem jeden ist das am nützlichsten zu wissen." (J. Böhme, Vom dreifachen Leben). 

7. Seit JB kann der Mensch (lt.Ralph Gleide) folgende persönliche Position einnehmen:
„Ich trage GUT und Böse in mir. Ich kann diese Dualität und somit mich selbst voll akzeptieren. Ohne schlechtes Gewissen kann ich mich frei fühlen und ausziehen und die Welt entdecken – und umgestalten!“.
 

8. Böhme empfiehlt uns, die Liebe als wichtigste Kraftquelle zu sehen:
„Der wahre Glaube ist frei und an keinen Artikel gebunden, als nur an die rechte Liebe; darinnen holet er seines Lebens Kraft und Stärke…“ 

9.Freiheit durch Wiedergeburt?  Nach JB ist die Wiedergeburt ein Geschenk Gottes. Sie erlaubt uns, die Vergangenheit hinter uns zu lassen und uns als Einzelner oder als Gruppenmitglied neu zu begreifen, neu zu finden.
Böhme vergleicht die Wiedergeburt auch mit einem neuen Kleid, mit dem Gott uns schmückt, damit wir gereinigt und in gottgefälliger innerer Verfassung uns mit aller Kraft unserem TUN widmen.
Die WIEDERGEBURT ist keine nachhaltige Heilung, sondern ein Bekenntnis, das sich im Alltag erst bewähren muss. Die Wiedergeburt stellt mir Aufgaben, denn als Wiedergeborener stehe ich weiterhin ständig zwischen Himmel und Hölle, doch nach Böhme sind wir jetzt „befreit von allem Streit“.
Manchmal klingt bei JB auch durch, dass die tägliche Wiedergeburt für den handelnden Menschen ein Segen ist.