Wer war Jacob Böhme         

 

 

     Wer war Jacob Böhme?  - Inhalt:

              1. Was an Jacob Böhme ist heute für Görlitz wichtig?
    2. Wie kam Jacob Böhme zu seinem Wissen?
    3. Böhme – ein Schriftsteller, der fasziniert.
    4. Jacob Böhme – Spiegelbild eines Freundeskreises?
         mit Wohnorten der Freunde auf  
http://tinyurl.com/boehmemap
    5.
 JB - der kindliche Frager 
    6. JB – ein Esoteriker?    ein Mystiker?               Ja!  
    7. Böhme – ein guter Selbstvermarkter für seine Texte?
    8. Download (2,5 Seiten) – Wer war/ ist Jacob Böhme
    9. Anmerkungen

     Das Bild links:  Ausschnitt aus einem Fenster der lutherischen Kirche in Seidenberg  (heute  steht nur noch der Kirchturm)

 Letzte Aktualisierung: 20.Februar 2017 

 

 

Wer war Jacob Böhme  - nach Thomas Isermann (Feb. 2017)

 

Jacob Böhme – das war ein Philosoph, der keiner war; ein Prophet, der nicht in die
Zukunft sah; ein Alchimist, der nie praktizierte; ein Ungelehrter, der sehr viel wusste, der schrieb obwohl er das nicht durfte. Er schrieb von Gott und der Natur, war aber weder Theologe noch Naturgelehrter.
Er gilt als Mystiker – doch das gilt nur für wenige Passagen seiner Texte. Sein Leben war unmystisch, hektisch. Ihm fehlte Charisma, er sprach undeutlich in Diskussionen, konnte sich schlecht verständlich machen. Er gab verblüffende Antworten auf psychologische Frage – war aber kein Psychologe. Die ihm von einigen nachgesagte Größe ist kaum erkennbar, wenn man seine Texte wie ein Buch liest. Er kehrte trotzig den Ungebildeten heraus, der er tatsächlich war. Trotzdem wusste er sehr viel. Er schrieb deutsch, weil er Latein nicht beherrschte.
Ersetzen wir, wo es geht, in einem Böhme Text das Wort GOTT durch LEBEN oder SINN, so wird manchmal klar, wo die Lesbarkeit dieses Naturphilosophen heute liegen könnte.

 

 

1. Was an Jacob Böhme ist heute wichtig?

Jacob Böhme „der Görlitzer Schuhmachermeister*1)“ gehört zu den ganz großen Schriftstellern und Denkern Deutschlands – und der Welt. Er schrieb über 30 ziemlich dicke Bücher, die auch heute noch weltweit gelesen und oft neu gedruckt werden. Sie sind in vielen Sprachen verfügbar, auch auf Japanisch und Russisch.
Böhme war kein zurückgezogener Sonderling, sondern ein hellwacher Mensch dieser Welt, der mitten im Leben stand.

 

Man nennt Jacob Böhme auch einen
      „anfänglichen Denker“.
Das heisst:
     Sein Denken beginnt auf der
      „Denk-Zeit-Skala“ bei Null.
Böhme bekundete immer wieder: 

 

      Meine Gedanken kennen keine
      berühmten Vorgänger.
      Alles was ich denke hat seinen Ursprung
      ausschließlich in meinem Inneren,
      in Gott und in der Natur.

Der sehr wissbegierige Jacob Böhme lebte in einer Welt des Umbruchs, voller neuer Entdeckungen, voller Widersprüche. Er wollte die Welt verstehen und hatte keine Angst vor großen Themen wie: Was ist der Ursprung von Gott, der Schöpfung, dem Bösen. Antworten auf diese Fragen suchte er in seinem Umfeld, aber vor allem in sich selbst. Wenn er dann seine Gedanken zu Themen wie Freiheit, Schöpfung, unsere Beziehung zu Gott, Größe und Rolle der Natur, niederschrieb, fehlten ihm oft in seiner einfachen Sprache die passenden Worte. Dann benutzte er Sprach-Bilder, selbst erfundene Worte oder auch Dialoge.

Was Böhme niederschrieb, das waren oft Gedanken aus Diskussionen in seinem riesigen schlesischen Freundeskreis (um 200 Personen), die er aufgriff – und dann zu Ende dachte.
In seinen Schriften dokumentiert er, wie er auf die Themen kam. Dann umkreist er sein Thema spiralartig, bis er eine vorher nicht sichtbare Tür findet, die ihn zur Antwort auf seine Frage bringt.
Seine neuen Erkenntnisse und Sichtweisen bringt Böhme meistens direkt mit unserem Alltag in Verbindung und richtet sie auf unser Handeln aus.  
Bild: Caspar von Schwenkfeld gab Diskussionsstoff

Böhme beschreibt seinen Denk-Weg auf eine Weise, die den Leser dazu bringt, diese Gedanken selbst zu denken, und dann zu einem Ergebnis zu gelangen, das in die Welt des Lesers passt.      


Böhmes Themen und Böhmes Art zu schreiben faszinierte große deutsche Denker wie Goethe, Schiller und Hegel ebenso wie den großen polnischen Poeten Adam Mickiewicz oder den amerikanischen Denker William Blake. Durch seine Fragen und seine ungewöhnlichen Gedanken wurde Böhme in seinem damaligen Freundeskreis wie bei vielen Heutigen zu einer Art Seelenführer, zu einem richtungweisenden Leuchtturm auf dem Weg durch den Alltag und durchs Leben.

 

Böhmes Anhänger sagen, dass Böhmes Gedanken und seine Wirksamkeit für uns Heutige die Welt schöner und lebenswerter machen. Ihre Beispiele:
1. Böhme hilft uns, mit uns selber besser zu Recht zu kommen. Wir lernen bei Böhme, dass wir selbstverständlich eine böse Seite in uns haben, mit der es sich aber gut leben lässt.
Außerdem wohne Gott selbst in uns (als kleiner Funke) – und täte alles Nötige, damit wir ein Leben voll Zufriedenheit und Freude haben, damit wir direkt mit ihm reden, ihm zuhören, ohne Pfarrer, ohne Kirche. Diesen Gott brauchen wir nicht zu fürchten! Im Gegenteil: dieser Gott stärkt uns, denn er ist mit uns zufrieden und freut sich an unserem Tun.
2. Die persönliche Freiheit, die politische Freiheit, Freiheit vor Gott, dem Staat, der Kirche, innere Freiheit, das sind für Böhme große Themen. Dass Gott uns den Willen und die Fähigkeit zur Freiheit gab, das kommt in fast allen seinen Texten vor, damit infiziert er den Leser.

3. Böhme lehrt uns, dass eigentlich alles Wissen der Welt in uns liegt. Suchst Du ein bestimmtes Wissen, so befrage als erstes Dein Inneres, bevor du Bücher und Menschen konsultierst.
4. Böhme beschreibt, wie Gott seine große Schöpfungsgabe als Kreativität an den Menschen weiter gibt, aber auch an alle anderen Elemente der Schöpfung, die alle hiervon viel Gebrauch machen. Die Folge:
Nichts auf dieser Welt ist statisch, alles ist im Wandel, im Fluss. Der dynamische Prozess der Schöpfung läuft weiter, aber großteils unter Verantwortung von uns Menschen.

 

Böhme gilt vielen als Mystiker. Zu Recht, träumt er doch von einer Friedenswelt (für die er das Symbol der Lilie verwendet). Auch ist ihm das Thema der Liebe fast so wichtig wie die Freiheit. Aber:
Mystiker sein heißt bei Böhme nicht Rückzug, sondern: hinein in die Welt! Habt Wirkung in der Welt, lasst Euch nicht von den Mächtigen unterwerfen.
Diese Haltung lässt sich auch mit der Zusammensetzung von Böhmes Freundeskreisen belegen: Es waren radikale Neuerer und mutige Individuen, die wissenschaftliches, geistiges, geographisches Neuland betraten, ohne sich mit geistigen oder feudalen Autoritäten abzustimmen.

 

2. Wie kam Jacob Böhme zu seinem Wissen?

Böhme verarbeitete und verbreitet in seinen Texten viel Wissen. Dies Wissen kam nach Erkenntnissen seiner Interpreten aus 4 Quellen:
1. Die Luther-Bibel
Jacob Böhme war ein genauer, schneller Leser, mit großartigem Gedächtnis. Luthers Bibel las er viele viele Male. Das Lesen lernte er sehr früh in Seidenberg, auf der dortigen Bibelleseschule.

2. Wissen durch „ Bürgerrechte“
In der großen Stadt Görlitz kauft sich Böhme als Bürger ein (es gab 397 Bürger) und als Mitglied der Schumacher-Gilde. Er hatte Zugang zu der größten Bibliothek der Stadt, die zur Peter und Paul-Kirche gehörte und nur 300 m von Böhmes Haus entfernt lag.
Böhme hatte außerdem Zugang zu den „Bürger-Ecken“ der Gasthäuser, wohin die Bürger interessante Durchreisende einluden, ebenso wie Vertreter der fürstlichen Obrigkeit. Hier tauschte dieser selbstbewusste Mittelstand Wissen aus, sammelte neues Wissen.

 

Rechts: Martin Moller, Oberpfarrer zu Görlitz

3. Martin Moller und der Niederschlesische Freundeskreis

Böhmes Gemeindepfarrer – das war Martin Moller, berühmt bis heute für seine Kirchenlieder, seine volkstümlichen theologischen Texte**2) und als Begründer einer evangelischen Andachts- und Erbauungsliteratur. Bei Moller traf sich regelmäßig dessen großer, niederschlesischer Freundeskreis, zu dem Oppositionelle, Freigeister, Neuerer und Rosenkreuzer gehörten. Böhme hatte offensichtlich früh Zugang zu diesem Gelehrten-Kreis und übernahm nach Mollers Tod**3) die Rolle des Moderators/ Koordinators.                                                                    Bild oben: Martin Moller                         

links: der Liegnitzer Gelehrte Balthasar Walter, ein enger Böhme-Freund

Es wird angenommen, dass Böhme schon 5-10 Jahre vor Niederschrift der Aurora zum Moller-Freundeskreis gehörte und hier viele Fragen und Denkansätze aufgriff, die er dann selbständig weiterdachte und in der Aurora niederschrieb. Er schrieb sie in dem von Martin Moller erprobten Stil der Andachts- und Erbauungsliteratur.
Böhme ließ seine Texte bis 1624 nicht drucken, um dem Schicksal von Martin Moller zu entgehen (vgl. **2)).

 

Die Görlitzer Via-Regia-Neiße-Brücke: Böhmes Wohnhaus lag am Ostende dieser Brücke, am

unteren Bildrand, links, "vor den Toren der Stadt"!

4. Böhmes Wohnhaus – eine Informationsplattform
In den 15 Jahren, in denen Böhme die Aurora und die vielen Sendbriefe schrieb, wohnte Böhme in einem großen Haus am Ostende der Via-Regia-Neiße-Brücke**4). Von hier aus moderierte er den schlesischen Freundeskreis, tauschte mit ihnen Nachrichten und Texte aus.
Hier war der Mittelpunkt von Böhmes großem Informations-Netz.
Böhme bot hier auch Reisenden die Übernachtung an. Hier wohnte z.B. der Arzt, Gelehrte und Philosoph Balthasar Walter drei Monate und arbeitete mit Böhme an dem Text „40 Fragen von der Seele“, die Walter anschließend an der Sorbonne in Paris in einem Vorlesungszyklus vortrug. Von hier organisierte Böhme die Treffen mit seinen schlesischen Freunden, auf deren Schlössern er einen Teil seiner Sendbriefe ungestört schrieb.

 

 

3. Böhme – ein Schriftsteller, der fasziniert

Böhme nimmt seine Leser mit sich auf eine Reise,
- manchmal zu sich bekämpfenden Urkräften, die Dynamik in die Welt bringen,
- manchmal in den Kampf gegen den Schwarz-Weiß-Dualismus, den Böhme für seine großen Themen führt, also für Freiheit, Liebe, Gott, den unfertigen Schöpfungsprozess, die neuen wissenschaftlichen Entdeckungen und die unfertige lutherische Reformation. Am Schluss schickt er dann den Leser gestärkt, sich selbst akzeptierend in den Alltag zurück.

 

 

Beteiligung des Lesers

In Böhmes Beschreibungen von Kämpfen und Prozessen findet der Leser, dank des oft mystischen, dunklen, teils undurchsichtigen Stils, immer ausreichend Projektionsfläche, um seine eigenen Themen mit Böhmes Darstellung zu verknüpfen. Böhme ist dann je nach Situation des Lesers Seelenführer oder prophetischer Seher, und immer ein faszinierender Sprachschöpfer. 

 

 Böhmes Leser
1. Wie in seinem schlesischen Freundeskreis sind es radikale Neuerer, die als mutige Individuen wissenschaftliches, geistiges, geographisches Neuland betreten, ohne sich mit geistigen oder feudalen Autoritäten abzustimmen.
2. Unter den Lesern sind ebenso Normalbürger, auf die eine neue Welt einstürzt und die deshalb einen Seelenführer suchen, bzw. einen Seher.
3. Bei seinen Sendbriefen waren die Leser vielfach seine Lehrer, deren Gedanken er aufgegriffen und weiterentwickelt hatte.
4. Damals wie heute waren es aber auch Liebhaber von Erbauungsliteratur.
 

 Bild links:
Der Niederschlesische Philosoph J.T.von Tschesch  (1595 - 1649) wird auch als Böhmes Nachfolger in dem Freundeskreis genannt. Böhme besuchte ihn in der Nähe von Waldenburg.

Böhmes Selbstvermarktung

Böhme fasziniert auch, weil er Träume und Vorurteile des Lesers aufgreift und diese als Teil seiner schriftstellerischen Aussage ausgibt.
So behauptet er, die Aurora nur für sich als Denktagebuch geschrieben zu haben,
- er drückt Verachtung gegenüber Büchern aus, gegenüber den Gelehrten und ihrer logischen Denkweise
- und behauptet, er habe sein Wissen teils aus der Natur gewonnen, teils in seinem Inneren vorgefunden.
Außerdem vermittelt er dem Leser: Mein Text, meine Gedanken, das bin nicht ich, dass ist Gott, in dessen direktem Auftrag ich handele, für den ich ein Kanal zu den Lesern hin bin.

 

 Böhmes Sprache: 

Das ist die einfache Sprache aus der Wohnung, der Werkstatt, von der Straße, gemischt mit theologischen Worten aus Luthertexten. Diese Sprache eines großen Denkers und Philosophen hat nichts mit Lehrbuchsprache gemein.

 

Die Art, wie Jacob Böhme seine Gedanken niederschrieb wirkt heute manchmal fast wie eine Gebrauchsanweisung für Menschen, die für eben diese Themen eigene Antworten suchen.

·      Sprachforscher sprechen von Böhme gerne als einem von Luther geprägten Sprachmeister – mit eigenem Wortschatz, der Luther nicht nachsteht. Außerdem sieht mancher von ihnen in der Sprache der Böhme-Texte, die auch die Sprache seines Freundeskreises wiedergibt, die Sprache der damals neu entstehenden deutschen Literatur.

·      In Böhmes Texten umkreisen die Gedanken das Thema, sind nicht linear, nicht logisch fortschreitend und laden mit Gleichnis-Bildern  zur meditativen Betrachtung ein.

 

·      Diese Sprache ergab sich sicherlich auch aus Böhmes Zielen beim Schreiben. Er wollte die Leser zu Gott führen, wollte philosophisches Gedankengut und wissenschaftlich Neues vermitteln und gleichzeitig als Seelenführer und Prophet wirksam sein.

4. Jacob Böhme – Spiegelbild eines Freundeskreises?

Rechts: das Grabkreuz, mit dem Böhmes Freunde das Grab schmückten

 

 Von dem australischen Böhme-Forscher Leigh Penman lernten wir bei seinem Görlitzbesuch 2014:

Jacob Böhme gehörte zu einem Freundes- und Förderkreis mit über 200 Personen. Es waren adelige Gutsbesitzer, Verwaltungsbeamte von fürstlichen Höfen (beispielsweise Lignitz, Dresden, Sagan), Pfarrer, Richter, Lehrer, Militärs, viele Ärzte, viele Alchemisten (Naturforscher und Naturphilosophen), Handwerker, pietistische Brüdergemeine, Rosenkreuzlern/ Freimaurer, Juden.. und oft deren Frauen.

Leigh Penman kommt zu dem Schluss: Zu Böhmes Anhängern gehörten die Unzufriedenen, die Neuerer, die Grenzüberschreiter/ Inspirierte des heiligen Geistes.
Sie lebten im Gebiet der Via Regia, des Jakobsweges, bis zu 150 km von Görlitz entfernt. Diese Gruppe versorgte den Jacob Böhme mit Wissen aus aktuellen Publikationen, über Denker des Neuen, Entdecker des Neuen – und mit Kartoffeln und Käse.
Böhme war Seelenführer, Ideengeber, aber auch Schüler dieses Freundeskreises.

 

 

Dieser Personenkreis suchte bei Böhme die Bewertungen neuer Ideen – und Antworten auf grundlegende Zeitfragen – und kopierte dann mit Eifer Böhmes schriftliche Antworten, lasen auch häufig seine Texte als Andachtstext oder als spannende Erbauungsliteratur (Bsp.: der Weg zu Christus).

 

Für Leigh Penman ist Böhme, wie wir ihn in seinen Themen erleben,
weniger ein einzelnes Individuum,
sondern Reflex auf ein Gruppenporträt Niederschlesischer Denker und Neuerer.

 

L.Penman hat viele Wohnorte von Böhmes Freunden (1610-1625) besucht und sie auf einer Landkarte dargestellt: http://tinyurl.com/boehmemap


5. Jacob Böhme -                                                                        ein kindlicher Frager


JB – so erzählt uns ein Görlitzer Stadtführer - stellte ganz einfache, ganz kindliche Fragen [1]und wurde dadurch bis heute für viele Menschen in der Welt wichtig. Böhme schaffte das, so sagte der Stadtführer, weil er seine Fragen solange wiederholte, bis er wusste: Ich habe jetzt die richtige, die wahre Antwort gefunden. 

Als junger Mann fragte sich Böhme: Was ist eigentlich das BÖSE?  Warum gibt es das BÖSE? Wieso lässt Gott so viel Böses in der Welt zu?
Als dann in Görlitz ein Pfarrer auftauchte, der dem Jacob Böhme Schwierigkeiten machte, fragte JB:  Um Gott zu lauschen, um Gottes Willen zu erkennen, brauchen wir da wirklich einen Pfarrer, eine Kirche? Wo ist eigentlich Gott – und der Himmel?

Als Böhme merkte, dass Kirche und Staat versuchten, der FREIHEIT seines wirtschaftlichen Handelns und seiner Gedanken Grenzen zu setzen, tauchten die Fragen auf: Bin ich frei ? Wenn ja - wie kam ich zu dieser Freiheit? Was ist Freiheit? Verpflichtet Freiheit?
Und bei jeder Antwort, auf die JB stieß, fragte er außerdem: Wo steht das in der Bibel?
Die Bibel war – so lernen wir – Böhmes Kriterium für WAHRHEIT.

 

Böhme kam durch seine „kindlichen Fragen“ zu immer mehr Wissen, traf immer mehr Wissende – und fragte sich bald:
- Was ist „WISSEN“?  Wann ist Wissen „wahr“?
- Gibt es wirklich Unterschiede zwischen Wissenden und NICHT-WISSENDEN?
Zu weitere Böhme-Fragen: siehe Anm. [2]

 

„Böhmes NEUE Fragen sind „GESCHICHTLICH ADÄQUATE FRAGEN“, sagt der amerikanische Philosoph B. Janz in seinem Artikel „Was hat Böhme uns heute zu sagen?/ Why matters Böhme today?“ (London, 2010[3]). Janz fährt fort: JB stellt seine Fragen während eines laufenden KREATIVEN Prozesses– womit er diesen Prozess am Laufen hält.

Lt. Janz kann JB für uns Heutige wieder relevant werden, wenn wir von JB lernen, Fragen zu stellen, die wichtig sind für unseren Augenblick, für unser heutiges Umfeld, für Themen, die wir als existenziell für uns selbst ansehen.
Dabei sollten wir aber – so Janz - unsere Fragen mit gleicher Gründlichkeit stellen wie Böhme. Und - wenn wir dann auf unsere "kindlichen Fragen" wahre Antworten finden, könnten wir daraus für uns adäquate Handlungskonzepte ableiten. 
(Stichworte zu Böhmes Antworten auf hier genannten Böhme-Fragen finden Sie in den Kapiteln MENSCHENBILD  und LEHRE dieser Website). : Anmerkungen:

[1] Böhmes „kindlichen Fragen, das waren wohl auch oft „ketzerische Fragen“, die niemand aus Angst vor schlimmen Folgen stellen wollte.

[2] Weitere „KINDLICHE Böhme-Fragen sind:  1. Wo liegen eigentlich Himmel und Hölle wirklich, denn der Himmel, den wir sehen, ist schon von uns vermessen! (Böhme selbst berechnete die Entfernung zum Mars.) und      
2. Welches Verhalten bringt uns eigentlich in den Himmel oder in die Hölle hinein und auch wieder heraus? Und wann?
Eine spätere Frage: 3.  Welche Rolle habe ich für Gott? Freut sich Gott über mich und mein Tun?

[3] : Why Boehme matters today? Bruce B.Janz, in An Introduction to Jacob Boehme  - Four Centuries of Thought and Reception  - Edited by Ariel HessayonSarah Apetrei  

 

ACHTUNG.
In den Kapiteln MENSCHENBILD  und LEHRE finden Sie einige Stichworte zu Böhmes Antworten auf hier genannten Böhme-Fragen.

 

 

6. JB - ein Mystiker?  Ein Esoteriker?                               Ja!

Jacob Böhme – ein Esoteriker? – Ja, - wenn das Wort Esotherik verwendet wird für:           „Erkenntnisse aus dem eigenen Inneren“                            oder für
„Erkenntnisse von dem eigenen inneren spirituellen Erkenntnisweg“.


Die Mehrzahl der uns bekannten Görlitzer Böhme-Kenner und Böhme-Freunde bezeichnen Böhme fast automatisch als Mystiker! Sie stellen Böhme in eine Reihe mit dem Priester Meister Eckhard  (dessen Schriften von seinen kirchlichen Oberen verbrannt wurden) - und mit Hildegart von Bingen (einer berühmten Äbtissin, die Zugang zum Pabst, zum Kaiser, zu Königen hatte.
Der 2015 in Görlitz uraufgeführte deutsche Film "Morgenröte im Aufgang - Hommage à Jacob Böhme" beschäftigt sich ausschließlich mit JB, dem Mystiker, ebenso das Begleitbuch zum Film
.

Böhme schreibt als Einer, der Gott erlebte, der Gott in sich spürte und der in seinen ERLEUCHTUNGEN von Gott Erkenntnisse empfing - vor allem zu dem unsichtbaren Teil der Schöpfung, der vor allem Mystikern zugänglich ist.

Mystisch ist sicherlich auch die Liebe, die Böhme immer wieder in den Mittelpunkt seiner Erkenntnisse und Erfahrungen stellt[i].
Einen mystischen Charakter erhalten Böhmes Texte auch durch JBs Wortwahl und durch sein bildhaftes Sprache (das
 Görlitzer KÜCHENDEUTSCH[ii]). Für viele seiner Themen fehlen Böhme die passenden Wörter. So greift er dann, um für seine „einfachen Leser“ verständlich zu sein, zu mystischen Erklärungen.
-
 Böhmes KÜCHENDEUTSCH passt zu seinem Bemühen, das rationalistische Denken durch die Erkenntniskräfte von Herz, Leib und Seele zu ergänzen. Seine Ausdrucksweise, so schrieb Böhme, öffne ihm „die weibliche Seite der göttlichen Weisheit“. Und:
-
 Als Autor von ERBAUUNGS-LITERATUR steigert er durch mystische Ausdrucks- weise seine Akzeptanz beim Leser. iii ) 

Anmerkungen zu Mystiker, Esoteriker? :,  [i] Der Görlitzer Prof. Maik Hosang feiert Böhme als einen großen Philosophen der Liebe.

[ii] Der englische König Karl I– so heißt es – sandte seinen Böhme-Übersetzer für ein Jahr nach Görlitz, damit er die dortige Alltagssprache erlerne, um Böhme besser ins Englische übertragen zu können. Karl dem Erstem wird der folgende Spruch in den Mund gelegt: Gott sey lob, dass Menschen (wie Jacob Böhme) gefunden werden, die von Gott und seinem Wort ein lebendiges Zeugnis ablegen können (G.Wehr, rororo)
iii Ein weiterer wichtiger Grund für Böhmes mystische Ausdrucksweise: Böhme hatte zwei große Vorbilder, die zu Ketzern erklärt wurden – und dadurch viel zu früh aus dem Leben schieden (Martin Moller, Giordano Bruno). Böhme verbreitete die Lehren dieser zwei – und benutzte dabei eine sehr verschleiernde, mystische Sprache (Böhme kannte und erlebte die Risiken seines Handelns.

7. Böhme – ein guter Selbstvermarkter seineR Texte! (Auswertung eines prämierten Textes)

Frau Tünde Karnitscher aus Budapest erhielt den diesjährigen Jacob-Böhme-Preis (für junge Wissenschaftler) für ihre Arbeit

   „ZUR ENTSTEHUNG UND ERWEITERUNG
   DER REZIPIENTENKREISE
    UM JACOB BÖHME (1575–1624) ,

ein Text von 21 Seiten. 

Tünde Karnitscher will in ihrer Arbeit zeigen:

-  Böhme betrieb die Etablierung und den Ausbau des Rezipientenkreises seiner Briefe planmäßig.

- Böhmes Hauptanliegen war, Gott seinen Lesern näher zu bringen.

- Böhme nutzte die „Sendbriefe“ zur Selbstdarstellung als „einfältiges“ passives Werkzeug Gottes.

- Böhme hatte in Schlesien ein Netz von (ihm getreuen) Mittelsmännern und Text-Kopierern, bei denen Interessierte sich Böhme-Schriften abholen konnten.  
   
Die in diesem blog behandelte Arbeit von Leigh Penman ist Teil der Grundlagen der Arbeit
    vonTünde Karnitscher. 

In der Arbeit von Tünde Karnitscher finden sich wichtige Sätze zur Frage:
               Wer war Böhme eigentlich?
(die folgenden Bsp. für solche Sätze sind z.T. angepasste Zitate aus dieser Arbeit)

 

- Böhme betont in seinen Briefen, dass seine Anhänger „vornehmlich Adlige, Ärzte, Gelehrte“ sind, dass aber auch unter ihnen Bürgerliche sind (vor allem Apotheker und Ärzte)- und gering Gebildete (z. B. Zöllner, Münzmeister, Tuchmacher) – und  „einige[n] Lutherische Prediger“.
Aber: das „Rückgrat dieses Freundeskreises bildet der „lausitzisch-schlesische Adel“

 - Böhme verschickte mit seinen Briefen auch das (mit seiner Genehmigung gedruckte) Sammelwerk Weg zu Christo an Interessierte.

- Böhme brauchte seine Sendbriefe, um seine Selbstdarstellung als inspirierter Bote Gottes aufrecht zu erhalten. Diese Sendbriefe „spielten bei Ausbau und Aufrechterhaltung von Böhmes Netzwerk“ eine zentrale Rolle. Böhme bezweckte mit seinen Texten außerdem,
- den Adressaten zu erbauen, zu „trösten“ und „ergetzen“ sowie Interesse für Böhmes Schriften zu wecken, dieses aufrechtzuerhalten bzw. zu steigern.
- und ihnen immer wieder seine Lehre darzustellen.

 

- Böhme suchte durch seine Sendbriefe potenzielle Nachfolger für sich. Er bemühte sich deshalb sehr um Personen, um die „kleine spiritualistische Kreise“ entstehen konnten,
- und die auch großes Interesse an Böhmes Schriften hatten.
- und die sich um die Etablierung und Erweiterung des von Böhme aufgebauten Netzwerkes bemühen würden. Beispiele sind seine Briefe an Johann Siegismund von Schweinichen d. J., an den Tuchmacher Nitsche und an ihm kaum bekannte Empfänger aus dem schwenckfeldischen Umfeld.

- Außerdem versorgte der „teutonicus“ die Empfänger seiner Briefe mit (Adressen von) Mittelsmännern. ….   Diese Mittelsmänner verschickten Kopien von Böhme-Texten u.a. an "darum Bemühte". So gelangten die Handschriften von Böhmes Werken auch an den Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel und an Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg.
 

 

Böhme förderte, dass seine Freunde sich trafen, sich austauschten. Er fuhr gelegentlich selbst zu diesen Treffen,
-  z.B. zu einem Treffen von Gelehrten des „Striegauer Kreises“, das im Mai 1621 wahrscheinlich bei Johann Theodor von Tschesch (Raum Waldenburg) stattfand.
- oder zu einer Weihnachtsfeier bei Balthasar Walter in Liegnitz, wo er mit vielen der ihm bekannten Gelehrten Gespräche führte, wo er aber auch die Grundlage für neue Freundschaften legte. 

 

8. Kurzfassung  (2,5 Seiten) – Wer war/ ist Jacob Böhme

Download
Böhme - auf 2,5 Seiten. Ein Versuch.
Der Text wurde als Kurzinformation geschrieben für Eltern und Lehrer der Görlitzer Jacob -Böhme-Schule, um über Thema und Inhalt der angesetzten "Jacob Böhme-Projektgruppe" zu informieren.
Böhme der Vielseitige - für Eltern - 2,5
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9. Anmerkungen

**1) Vor etwa 400 Jahren lebte Jacob Böhme als Schuhmachermeister in Görlitz. Er besaß die Bürgerrechte, außerdem ein Haus mit Schumacher-Werkstatt, hatte einen Schuh-Verkaufsstand auf dem Untermarkt und eine Familie mit 3 Buben.  Er war sehr fromm, hatte in Seidenberg (Zawidów) 4 Jahre lang die Bibelleseschule besucht, kannte die Bibel von hinten bis vorne und bewunderte Martin Luther als großen Reformer, hatte ihn als Vorbild. 

**2) Nach Antritt seines Amtes in Görlitz publizierte Moller sein Hauptwerk, das sofort bei den Lutherischen Dogmatikern in Wittenberg Missfallen auslöste. Die Wittenberger theologische Fakultät erhob Anklage wegen Crypto-Calvinismus (Ketzerei) gegen ihn. Es folgten 5 weitere Fakultäten. Moller, der zu recht Verurteilung fürchtete, begann zu kränkeln, wurde blind und starb 1606. Die Moller-Linde auf dem Nikolai-Friedhof erinnert daran, dass Moller sich zu Unrecht verfolgt fühlte. 

**3) Leight Penman, ein australischer Böhme-Forscher widmete einen zweijährigem Görlitz-Aufenthalt der Erforschung dieser Moller- Böhme-Freundesgruppe. Er widmete seine Doktorarbeit diesem Thema und hielt hinterher in Cambridge und anderen Spitzenuniversitäten hierzu Vorlesungen, die er 2014 und 2015 auch bei Youtube einstellte. Zum gleichen Thema hielt Penman im Juli 2014 in Görlitz einen deutschsprachigen Vortrag. 

 

**4)  1610, vor Beginn der Arbeiten an der Aurora, verkaufte Böhme sein Haus mit Schusterwerkstatt und auch seinen Schuh-Verkaufsstand auf dem Untermarkt und kaufte ein größeres Haus direkt an der Via-Regia, mitten in einem großen Verkehrsknotenpunkt. Hier vor der Stadt stellten die Reisenden abends Pferd und Wagen und suchten Unterbringung in der Stadt. Dem großen Frager Jacob Böhme boten sich hier viele Möglichkeiten, bei Durchreisenden Gelehrten, Juden,

Politikern und alten Bekannten neues Wissen zu erfragen und seine Niederschlesischen Freunde zu betreuen.